Dok. 30
Dok. 30: Rundbrief des Kaisers Konstantin (Urk. 26)
Konstantin Augustus an die Kirchen.
1 Nachdem ich aus der Wohlfahrt des Gemeinwesens erfahren habe, wie große Gnade der göttlichen Macht erwachsen ist, entschloß ich mich, vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß beim seligen Volk der katholischen Kirche ein Glaube, reine Liebe und einmütige Frömmigkeit gegenüber dem allmächtigen Gott bewahrt werden.
2 Da es aber nicht möglich war, eine unerschütterliche und feste Ordnung zu errichten, es sei denn alle oder doch die meisten Bischöfe kommen an einem Ort zusammen und es kommt zu einer Besprechung von jeder umstrittenen Frage über die heiligste Gottesverehrung, haben sich deswegen die meisten Bischöfe getroffen (auch ich selbst war wie einer von euch mit dabei; und ich möchte nicht leugnen, daß ich mich darüber sehr gefreut habe, euer Mitdiener zu sein), und jede umstrittene Frage wurde so lange diskutiert, bis eine Meinung zu Tage gefördert wurde, die einer einstimmigen Übereinkunft genügt und die Gott, dem Hüter des Alls, gefällt, so daß nichts mehr verblieb, was Zwietracht und Glaubenszweifel verursachen könnte.
3 In diesem Zusammenhang wurde auch über den heiligsten Tag des Osterfestes diskutiert, und es schien im Sinn der allgemeinen Meinung zu sein, daß alle Christen das Osterfest überall an einem Tag begehen. Denn was kann es Schöneres, was Ehrwürdigeres geben, als daß dieser Festtag, von dem wir die Hoffnung auf Auferstehung empfangen haben, von allen fehlerlos nach einer Ordnung und nach einer klaren Berechnung eingehalten wird. Erstens schien es uns nämlich unwürdig zu sein, jenes heiligste Fest im Anschluß an die Gewohnheit der Juden zu feiern, den Verruchten, die ihre eigenen Hände mit frevelhaftem Vergehen beschmutzt und zu Recht erblindete Seelen haben. Denn, nachdem jenes Volk verworfen worden ist, ist es möglich, die Erfüllung dieses Abhaltens (sc. des Festes) auch in künftigen Zeiten nach einer eher wahrhaftigen Ordnung, die wir vom ersten Leidenstag an bis jetzt bewahrt haben, auszurichten.
4 Nichts sollen wir also mit dem feindseligen Volk der Juden gemein haben. Wir haben nämlich vom Erlöser einen anderen Weg empfangen; für unsere heiligste Gottesverehrung gibt es einen Weg, der sowohl gesetzmäßig als auch angemessen ist. Laßt uns diesen einmütig entlanggehen und uns von jener häßlichen Gewohnheit fernhalten, verehrte Brüder!
5 Denn es ist doch wirklich unmöglich, daß jene prahlen, wir seien nicht in der Lage, ohne ihre Lehre dieses Fest auszurichten. Was aber können sie schon Richtiges denken, die nach jenem Mord am Herrn und Vater den Verstand verloren haben und nicht mehr von irgendeiner vernünftigen Erwägung, sondern von maßloser Begierde dahin geleitet werden, wohin auch immer ihr angeborener Wahnsinn sie führt! Daher erkennen sie nämlich auch in dieser Frage nicht die Wahrheit, so daß sie, die sich immer im Übermaß irren, anstelle einer entsprechenden Anpassung das Passafest in demselben Jahr zweimal feiern.
6 Weswegen sollen wir also diesen folgen, die bekanntlich an einem großen Irrtum erkrankt sind? Denn zweimal in ein und demselben Jahr Passa zu feiern, werden wir niemals annehmen. Aber auch wenn das nicht wäre, so wäre es notwendig, daß ihr euren Scharfsinn allzeit mit Eifer und Gebeten dafür gebraucht, daß sich die Reinheit eurer Seele in keinem Bereich mit den Sitten so übler Menschen zu überschneiden scheint.
7 Zusätzlich ist auch folgendes zu beachten, daß es in einer derart bedeutenden Sache und bei der Feier eines so wichtigen Gottesdienstes nicht angebracht ist, verschiedener Meinung zu sein.
8 Denn unser Erlöser hat uns einen Tag für unsere Befreiung, d.h. einen Tag seines so heiligen Leidens überliefert. Er wollte, daß seine katholische Kirche eine sei, die, auch wenn die meisten Teile an vielen und unterschiedlichen Orten zerstreut sind, dennoch von einem Geist, d.h. einem göttlichen Willen, umsorgt wird.
9 Der Scharfsinn eurer Frömmigkeit möge ferner darüber nachdenken, wie schlimm und unanständig es ist, wenn an denselben Tagen die einen die Fastengebote befolgen, die anderen aber gemeinsame Festmahle abhalten, und wenn nach den Ostertagen die einen sich in Feiern und Erholung üben, die anderen aber die vorgeschriebenen Fastentage einhalten. Aus diesem Grund will die göttliche Vorsehung, daß diese Zustände eine angemessene Verbesserung erfahren und auf eine Linie gebracht werden, was alle, wie ich meine, auch einsehen.
10 Da es also nötig war, diese Angelegenheit so zu verbessern, daß keine Gemeinsamkeiten mit jenen Vater- und Herrenmördern bestehen bleiben, ist eine Regelung angemessen, die alle Kirchen aus den westlichen, südlichen und nördlichen Teilen der bewohnten Welt sowie einige der östlichen Orte einhalten, weswegen alle meinten, es wäre zum jetzigen Zeitpunkt gut, und weswegen ich selbst versprach,eurem Scharfsinn zu genügen, damit das, was in der Stadt Rom, in ganz Italien und Africa, in Aegyptus, Spania, Gallia, Britannia, Libya, in ganz Griechenland, in den Diözesen Asia und Pontus und in Cilicia mit einer übereinstimmenden Meinung eingehalten wird, auch freudig eure Einsicht annimmt, wenn sie darüber nachdenkt, daß nicht nur die Zahl der Kirchen an den vorgenannten Orten größer ist, sondern daß es auch ganz außerordentlich gottesfürchtig ist, wenn alle gemeinsam das wollen, was auch eine genaue Berechnung nahezulegen scheint, und wenn sie keine Gemeinsamkeiten haben mit dem Meineid der Juden.
11 Um schließlich das Wichtigste zusammenzufassend zu sagen: Es hat dem gemeinsamen Urteil aller gefallen, das heiligste Osterfest an ein und demselben Tag zu begehen. Denn es ziemt sich nicht, in einer so heiligen Angelegenheit irgendwelche Differenzen zu haben, und besser ist es, sich genau der Meinung anzuschließen, der keinerlei fremder Irrtum und Verfehlung untergemischt ist.
12 Da die Dinge so liegen, nehmt ohne Starrsinn die himmlische Gnadengabe und das wahrhaft göttliche Gebot an! Denn alles, was auch immer in den heiligen Besprechungen der Bischöfe verhandelt wird, hat Anhalt am göttlichen Willen. Deswegen seid ihr verpflichtet, nachdem ihr allen geliebten Brüdern das oben Geschriebene verdeutlicht habt, nun die obige Entscheidung, also die Einhaltung des so heiligen Festtages, zu übernehmen und umzusetzen, damit ich, wenn ich zum von mir lang ersehnten Anblick eures Verfassung komme, das heilige Fest mit euch an ein und demselben Tag feiern kann und Freude habe an euch in jeder Hinsicht, da ich sehe, wie die teuflische Grausamkeit von der göttlichen Kraft durch unsere Taten beseitigt wurde, da unser Glaube und Frieden und Einmütigkeit überall in großer Kraft steht.
Möge Gott euch bewahren, geliebte Brüder!